Großes Spektakel um große Hits...
Sting verpasst in der Stuttgarter Schleyerhalle alten Songs erfolgreich ein
neues orchestrales Gewand.
Der also auch. Pop goes Klassik. Am Samstagabend präsentierte Sting seinen Fans
eine Auswahl seiner Welthits zusammen mit dem Royal Philharmonic Concert
Orchestra in einer fast ausverkauften Schleyerhalle. Zweieinhalb Stunden lang
zeigte der englische Musiker und Sänger zusammen mit extrem spielfreudigen
Orchestermusikern, dass er es auch gerne mal spektakulärer mag. Und auch kann.
Das Publikum dankte mit grenzenloser Begeisterung.
Was hat er nicht schon alles gemacht. Immer wieder überraschte Sting die
Musikwelt mit neuen Experimenten. Mal nahm er seine Fans mit in die Welt des
Jazz, mal tourte er wieder mit ''Police'', im letzten Jahr betörte er ein
handverlesenes Publikum bei seinem einzigen Deutschland-Konzert zu 'If On A
Winter's Night' in Baden-Baden vollbärtig mit leisen sphärischen Folkballaden.
Doch bei seiner diesjährigen 'Symphonicity Tour' geht es wieder ums Große, also
auch um die großen Hits: 'Roxanne', 'Russians' oder 'Every Breath'. Alles schon
tausendmal gehört, könnte man sagen. Doch die rund 8,000 Menschen, die in die
Schleyerhalle gekommen sind, sind offensichtlich alle Fans und wollen genau
diese Hits, nur anders. Weiß man doch: Seine Songs nach Schema F runterspielen
ist nicht Stings Ding. Vielleicht auch deshalb wird er schon vorweg
enthusiastisch gefeiert, als er jugendlich glattrasiert in auf den Leib
geschneidertem Schwarz gleich nach den Orchestermusikern und deren Dirigent
Steven Mercurio die Bühne betritt.
Satt und breit geht es dann los, 'Magic', 'Englishmann in New York' - Sting
singt mit seiner unverwechselbaren Stimme, die Streicher zupfen, alles ist
leicht, doch aus den Stuhlreihen haut das erst mal nicht. Drei Lieder brauchen
der Brite und die Musikermasse, um richtig in Form zu kommen; doch dann kommt
die in die Jahre gekommene 'Roxanne' daher, wird zart getragen von leisen
Gitarrenklängen und nachgiebigen Streichern und wird damit wieder zur jungen,
unbekannten Schönen.
Schlag auf Schlag folgen die Hits; nur Stings Moderationen zu den Liedern,
kleine Erklärungen über deren Enstehungsgeschichten, unterbrechen den Fluss
musikalischen Variantenreichtums, den der Sänger in stimmlicher Bestform
durchquert: bombastisch lässt das Orchester unter der engagierten Führung seines
tänzelnden Dirigenten bei 'Russians' die Bauchfelle beben, sinfonisch-verjazzt
präsentiert Sting mit Co-Sängerin Jo Lawry 'Whenever I Say Your Name', wobei die
ihm fast die Show stiehlt, könnte Sting die Töne nicht bis zur Schmerzgrenze
halten. Nach einer mit Standing Ovations eingeläuteten Pause bedient sich '1000
Years' des Irish-Folks; Musical-Dramatik samt einem ulkigen Leinwand-Nosferatu
saugt 'Moon over Bourbon Street' das alte Blut aus; ein ungewöhnlich
zuversichtlicher 'King of Pain' reißt das Publikum von den Sitzen, bei einem als
Spektakel zelebrierten 'Desert Rose' schließlich spielen die Musiker sich und
alle anderen fast in begeisterte Ohnmacht.
© Schwäbische Post by Dagmar Oltersdorf