'Back To Bass' - Zurück auf Anfang...
Also gut: "Zurück
auf Anfang" ist etwas übertrieben. Denn sonst hätte Sting in einem
Club-Lokal spielen oder mit einer Jazz-Bigband auftreten müssen. Tat er
aber nicht. Und das Police-Lineup war am Sonntag im ausverkauften Wiener
Gasometer auch nicht auszumachen.
'Back To Bass' war zum einen
als Rückblick auf das gut 25-jährige Soloschaffen eines Musikers zu
verstehen, der sich als selbstreflexionsunwillig und unnostalgisch
bezeichnet, zum anderen aber auch als Wiederbesinnung auf den Ursprung
seines instrumentalen Talents. Aber da hätte er eigentlich zur Gitarre
greifen müssen. Wie auch immer: Wohltuend zu sehen, dass er noch kann,
was er immer schon konnte: Einfach saugute Musik machen. Viel Neues war
aber nicht dabei. Doch das ist wohl das Wesen einer retrospektiven
Konzert-Überschrift.
Das wurde aber auch Zeit! Nach Abstechern
ins Symphonische, Folkloristische und Mittelalterliche schwang der
"Polizist" a. D. endlich wieder seinen optisch schon ziemlich
ramponierten Tieftöner, durchstreifte in feiner Spiellaune seinen
Solokatalog inklusiver einer Handvoll Police-Nummern und hatte Mut zur
Lücke: Kein einziger Titel seines 80er-Meisterwerks 'Nothing Like The
Sun' wurde wiederbelebt, und auch 'Roxanne' erstrahlte nicht im Rotlicht
der Scheinwerfer. Dafür schimmerte eine lang verschollene Songperle,
die Fuchspärchenballade 'End Of The Game' wie nur was, denn stimmlich -
gestochen unscharf wie eh und je - präsentierte sich der charismatische
Nordengländer in Bestform.
'All This Time'' eröffnete
themengerecht die Zeitreise in die Zeitlosigkeit, die sich
ausschließlich der Musik widmete. Sämtliche Songs wirkten
ballastbefreit, die melodischen Kernsubstanzen schienen herausgeschält.
Auch Bühne und Beleuchtung erfüllten lediglich Grundfunktionen: Stehen
können und gesehen werden. Selbst Stings Outfit unterstrich die
Geradlinigkeit des Gebotenen: Jeans und ein eng anliegendes T-Shirt, das
die Fitness des 60-jährigen Körpers wahrlich gnadenlos betonte und den
Schreiber dieser Zeilen in seiner Entscheidung bestätigte, doch den
Schlabberpulli angezogen zu haben.
So mancher Begleitmusiker
bediente ebenfalls den Nostalgiefaktor. Nach langer Pause wieder mit
dabei: Vinnie Colaiuta, einer der arriviertesten Session-Schlagwerker
mit Hang zu hohem, selbstauferlegtem Schwierigkeitsgrad, begleitete
Sting erstmals vor 20 Jahren. Noch länger musiziert Gitarrist Dominic
Miller schon an des Meisters Seite, allerdings nahezu durchgehend.
Miller brachte diesmal sogar sein Erbgut ein, versorgte doch Sohnemann
Rufus die Darbietung mit Background-Vocals und Gitarre. Noch dazu -
Kinder wie die Zeit vergeht! - haben Sting als Solist und besagter Rufus
als Neugeborener nahezu zeitgleich den ersten Plärrer in die Welt
getan.
In der Hintermannschaft glänzte mit Geige und Stimme die
Australierin Jo Lawry, die schon bei der vorangegangenen
'Symphonicities'-Tour ihr Organ spendete, und Peter Tickell erwies sich
als virtuoser Violinist, vor allem bei den zwei sehenswerten Soli, wo er
die Geigensaiten nahe an den Schmelzpunkt schmirgelte. Allerdings wurde
unverzeihlicherweise der traditionelle Tastenmensch eingespart, und da
gab es in der Vergangenheit durchwegs großartige. Und ganz zum Schluss,
ganz allein, 'Message In A Bottle'. Da griff Sting dann doch zur
Gitarre. Also doch: "Zurück auf Anfang"! Ha!
Mit rund 1,800
Konzerten in seiner Solokarriere ist Sting als volksnaher Superstar zu
bezeichnen. Herumsitzen und Langeweile erträgt er nicht, somit wird die
nächste Tour nicht lange auf sich warten lassen. Doch vorher - bitte! -
ab ins Studio und wieder mal was Neues auf Platte bringen. Wäre ein
Wunsch.
(c) Heute.at by Winfried Radl