Mercury Falling

Jun
1
1996
Berlin, DE
Waldbuhnewith Paul Carrack
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Der Softe Mückendompteur - Sting und seine Band begeisterten in der Waldbühne mit Schmusesongs...

Sting hat sogar die Mückenschwärme im Griff: Das Insekten-Ballett zuckte zu den jazzigen Tönen von Saxophon (Butch Thomas) und Posaune (Clark Gayton) durch den wolkigen Abendhimmel. Schließlich bedeutet der Name des ehemaligen ''Police'' - Sängers nicht umsonst ''Stachel''.

Doch noch viel mehr als die Mükken waren die Zuschauer vom ''Englishman in Waldbühne'' und seiner hervorragenden Band begeistert.

Der Ex-Rocker und heutige Schmuseballadist spielt 105 Minuten für ''meine Berliner''. Meist steht er still hinter dem Mikrophon, windet sich allenfalls ein wenig.

Klar, keiner erwartet wildes Rumgerocke bei den Liedern von seinen soften Solo-Alben. Aber bei den Hits aus seiner ''Police''-Zeit wummert Stings Baß in 22 000 Bäuchen, und er tobt mit den Bläsern uber die Bühne. Bei 'Roxanne' und 'Every Little Thing She Does Is Magic' singen dann alle, selbst die Leute auf den Sitzbänken erheben sich, und auf dem Rasen wird ohnehin schon getanzt.

Gegen 21.30 Uhr packen die Zuschauer ihre Wunder - kerzen aus - und Sting seinen Baß ein. Viel zu früh! Zweimal jubeln die Fans ihn auf die Bühne zurück, dann ist endgültig Schluß.

Die Fans machen sich leise summend auf den Heimweg, die Mükken erwachen wieder.

(c) Berliner Zeitung (thanks to Valeria Vanella)



Ein Profi mit Spaß am Experiment - Gefeiertes Sting-Konzert in der ausverkauften Waldbühne...

Gordon Summer muß sich nichts mehr beweisen. Als Sting füllt der Sänger und Bassist die größten Arenen, kann sich über unzählige Hits freuen und hat ein Publikum, das ihm regelrecht aus der Hand frißt. Natürlich auch in Berlin, wo er jetzt in der seit Wochen ausverkauften Waldbühne gastierte.

Bereits mit seiner ersten Band The Police, deren musikalischer Kopf der einstige Grundschullehrer war, hat er sich mit fünf Alben in nur fünf Jahren und Hits wie 'So Lonely', 'Message In A Bottle' und 'Can't Stand Losing You' Kultstatus eingespielt. 1983 löste Sting The Police auf und machte allein weiter. Ein Schritt, der auf der Erfolgsleiter weiter nach oben führte, obwohl sich Sting immer wieder bemüht, neue Wege zu beschreiten. Stings Weg ist, nicht selbstgefällig im Popgeschäft zu altern.

Der Abend wird von Paul Carrack eröffnet, seines Zeichens eigentlich Sänger bei Mike & The Mechanics. Mit 'Blue Views' hat er dieses Jahr ein Soloalbum veröffentlicht, auf dem er sich dem melodischen Radio-Pop verschrieben hat. Tanzbare Rhythmen und auffällige Keyboardklänge unterstreichen seine markante Stimme. Ob bei der Hitsingle 'Over My Shoulder' oder dem neuen 'Oh Oh Oh My My My', Paul Carrack hat in der Waldbühne leichtes Spiel und wird nach einer knappen Stunde mit einem ordentlichen Applaus verabschiedet.

An die Begeisterung, die Sting alleine durch sein Erscheinen auslöst, kann der aus Sheffield stammende Carrack aber doch nicht heranreichen. Statt seinen Set mit alten Hits zu eröffnen, spielt Sting gleich zu Beginn vier Stiicke seines neuen Albums 'Mercury Falling'. Dabei konzentriert er sich ganz auf die Musik, auf effekthaschende Einlagen wird verzichtet. Sehr dezent bildet die Lichtshow einen angenehmen Hintergrund.

Im Mittelpunkt aber steht Stings Gesang, mit dem er den einzelnen Liedern einen unverkennbaren Stempel aufdrückt. So verlieren die Songs auch bei größren Variationen nicht ihre Identität. 'If You Love Somebody Set Them Free' wird durch eine größere Instrumentalpassage eingeleitet, in 'Demoliton Man' finden sich eingesetzte Disharmonien wieder und im Verlauf des Abends bekommen die Musiker seiner Band die GeIegenheit, durch kleine Soloeinlagen zu glänzen. Auffallend ist dabei das Bläserduo, bestehend aus Butch Thomas und Clark Gayton, das die Musik mit Saxophon, Klarinette und Posaune weitaus mehr prägt, als dies auf Platte der Fall ist.

Seine Zeit bei The Police ist fäür Sting Vergangenheit, ihr raumt er nur noch wenig Platz ein. Dabei werden gerade 'Roxanne' und 'Synchronicity' begeistert gefeiert. Doch Sting setzt auf der Bühne auf Experimentierfreude, kreiert so geschickt sehr verschiedene Stimmungen und laißt dafür selbst große Hits wie 'Russians' außen vor.

Nicht routiniert, sondern professionell und doch spontan tragt Sting sein Programm vor. 'Lithium Sunset' singt er gemeinsam mit Paul Carrack, 'Englishman In New York' wird durch eine Rapeinlage aufgepeppt. Und sein Publikum, das ihn nach zwei Stunden und vier Zugaben lautstark bejubelt, kann Sting mit dieser Mixtur natürlich problemlos überzeugen.

(c) Berliner Morgenpost by Lothar Landt (thanks to Valeria Vanella)



Soviel Leichtigkeit war nie...

Soviel Leichtigkeit war nie - Sting und seine Fans: ein schoner Abend in der Waldbühne - Von ''Roxanne'' bis ''Demolition Man'': Sting und seine Berliner in der Waldbühne - ein richtig schoner Abend

Stecker rein und laut und los, so sei das früher gewesen, schwärmt die Legende vom Rock'n'Roll. Heute halten unergründliche Prozeduren hin, die Soundcheck heißen. Es gibt viel Sorgfalt, mehr Kunst. Und Bühnenbilder: dieses hat schräge graue Blenden, graue Landschaft auf grauem Tuch. Will sagen, die Rampe gehört an diesem Abend einem uneitlen Menschen und solider Musik: Sting in der ausverkauften Waldbühne.

Demonstrative Bescheidenheit ist auch eine Zier. Es gibt kaum Kunstqualm. und die Spots malen keine dieser schrillen Farben, allenfalls schimmert die Schau bläulich, grünlich, rötlich. Einmal nur knallt das Rot. 'Roxanne', you put on the red light. das ist es Programm. An den Blenden prangen nun Projektionen von Unzucht, Lack und Leder. Es war der erste fette Hit des Gordon ''Sting'' Sumner, ist noch immer der Gipfel seiner Gastspiele. Um so mehr, als 'Roxanne' heute nicht, wie zuletzt, zum intimen Unplugged-Intermezzo verkümmert. Es wächst sich aus zu einem Reggae mit viel Baß und Posaune. So weit, so fetzig. Dieser Sting hat an sich nichts Pastorales mehr. Statt dessen springt ein Typ umher, der ''Hallo, meine Berliner'. sagt, im Lederdreß für Feuerstühle.

Ganz du und ich. Doch ein Star ist ein Star ist ein Star. Und nur der kann das halbe Konzert mit Stücken seines ganz neuen Albums fülllen, ohne daß sie ihn darob von der Bühne gähnen. Sie singen sogar schon mit, diesen Gospel 'Let Your Soul Be Your Pilot'. Oder 'I Was Brought To My Senses' eine keltische Ballade. die unvermittelt in Soulpop kippt.

Die neuen Lieder sind leichtfertiger, volI verdruckster kleiner Stilbrüche und winziger metrischer Finessen. Macht wenig - ''Alles klar?'' ruft er und läßt als Lohn einen Althit folgen. 'If You Love Somebody Set Them Free' in geringfügiger Variante von 1986.

Soviel Leichtigkeit war nie, wenn Sting vor die Menschheit trat. Peinlich hatte er alles Private öffentlich gemacht. Daß sein Vater ein schlichter Milchmann war und seine Mutter Friseuse, seinen erlernten Lehrerjob, seinen Kinderreichtum, das englische Landhaus, Yoga, Fußballiebe, Hörstürze.

Und das öffentliche hatte er laut zum Personlichen erklärt: ökologische Besorgnis, Regenwald, Apartheid, Widerstand in Chile und Not im Bergbau. Er mag gespürt haben, daß man von Stars eben nicht verlangt, sich kraft Popularität in die großen Debatten zu werfen. Sting hat gegen gerechte Kritik Humor geprobt: just entertainment in Notwehr.

Doch Ironie klappt nie, und erst heute klingt alles ganz einfach. Selbst 'Mad About You', von den 'Soul Cages'. mit denen er den Tod seiner Eltern zu verarbeiten gedachte, wird hier zur gelösten Nummer durch freundIich heiseres Falsett, Sopransax und munteres Blech. überhaupt die Band: immer wieder lockern kleine jazzige Einwürfe die Musik, mitunter auch Längeres.

Kenny Kirkland zerreißt das alte 'Bring On The Night' mit einem ausschweifenden Piano-Solo. Vinnie Colaiuta, der Irre damals hinter Frank Zappa, turnt am Schlagzeug, Dominic Miller spielt Gitarre, Butch Thomas und Clark Gayton blasen Saxophon und Posaune.

Und Sting hält deren Können tatsächlich mit dem Baß beieinander. 'Synchronicity' hat wieder Energie - ein Police-Plagiat, mit nervösen Drums und kurzatmiger Gitarre, das Schönste seit dem Original. All das Yeaheaheahoh und Hejohejohejojo. Diesmal gibt es auch keine kokette Kopflast, keinen Weill, Strawinsky, Prokofjew. Dafür 'Demolition Man', die Musik zum Film. Sting hat viel fürs Kino musiziert. oft selbst vor der Kamera gestanden und würde so gern als das gelten, was längst auch der Pop ehrfürchtig ''Gesamtkunstwerk'' nennt. Fast am Ende, als Zugabe schon, jenes hartnäckige 'Every Breath You Take'. Muß man das noch und noch spielen? Man muß. Meint Waldbühne und zündet ihre Wunderkerzen an. Sie ist keine Experimentierbühne, um Stoff und Auditorien zu testen. Hier gilt: dem Star seinen Jubel, den Leuten Vertrautes. Und so ist der Abend schön wie immr, wenn das Halbrund bunt ist bis zum Rand. Der Himmel hat sein Wasser gehalten.

Am Schluß leeren sich die Ränge, gesittet Reißverschlußsystem. Auch das, so heißt sei einmal anders gewesen.

(c) Der Tagesspiegel by Michael Pilz (thanks to Valeria Vanella)
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