Sting - bombastischer als die Polizei erlaubt...
Was für eine Materialschlacht: Sting zog Freitagabend samt 45-köpfigem Royal
Philharmonic Concert Orchestra, Rockband, Vokalistin und Tanzpaar aus, die
Herzen der Fans in der Wiener Stadthalle zu erobern.
Gleich vorweg: Das Vorhaben gelang, das zahlreich erschienene Publikum war vom
umarrangierten Bombast-Rock begeistert, in den der Ex-Frontman von ''Police''
seine Song kleidete. Völlig auf der Strecke blieb dabei allerdings die
unmittelbare Eingängigkeit der Werke aus der ''Polizei''-Ära, allen voran
'Roxanne' - ein Song, bei dem jeder Ton mehr schon zu viel ist und der im
Orchester-Kleister folglich erstickt wurde.
Auch wenn es Stings Solowerke nicht nötig gehabt hätten - diese sind es, die
durch die orchestrale Aufmaschelung am besten funktionieren: 'An Englishman In
New York' gleich in der Anfangsphase des Abend etwa, von vornherein eigentlich
quasi für Kammerorchester arrangiert; oder 'Russians', was noch weniger
verwundert, hat Meister Sumner doch für das Original eine Melodie von Sergej
Prokofjew entlehnt; und schlussendlich 'Moon Over Bourbon Street', das Sting
live samt Orchester zu einem beeindruckend performten Vampir-Dramulett ausbaut,
samt schrägem Solo auf einem berührungslosen Theremin-Synthesizer und
Wolfsgeheul am Ende.
Beeindruckend ist vor allem auch die Präsenz der charakteristisch ''schneidenden''
Stimme des mittlerweile 60-Jährigen, ebenso jene der fantastischen Vokalistin Jo
Lawry an seiner Seite. Das Orchester unter Maestro Mercurio müht sich über lange
Strecken brav, aber es fehlt für ein Konzert mit Popsongs bei aller Mannstärke
einfach an Schalldruck. Da hilft es auch nichts, wenn der Dirigent
quecksilberhaft herumhüpft und mit großer Geste seinen Stab bisweilen wie einen
Bihänder bewegt.
Erst im Zugaben-Set kommt wirklich Aktivität in die Truppe, und da zeigt sich,
dass das schon auch funktionieren kann: ganz besonders bei der ersten Draufgabe
'Desert Rose', das zu einer extatisch-orientalischen Musik-Orgie gerät. Umso
begeisternder, als sich unmittelbar zuvor einmal mehr die Schwächen des Ansatzes
gezeigt hatte: Der kommerziell erfolgreichste Police-Hit 'Every Breath You Take'
wird durch das Aufblasen zum musikalischen Breitwand-Format eher schwächer -
macht nix, die Leute riss es dennoch von den Stühlen, war ja schließlich der
letzte Songs des Hauptteils und da gehört sich das schließlich.
Apropos 'Every Breath You Take': Das war auf dem letzten und meistverkauften
''Police''-Album drauf, das 'Synchronicity' heißt - ein Schelm also, wer denkt,
die Benennung des neuen Werkes samt Tour mit 'Symphonicities' durch Sting wäre
Zufall. Jedenfalls dürfte trotz des Erfolges in der Stadthalle wohl einige Fans
gegeben haben, die nach 'Symphonicities' zu Hause rasch 'Synchronicity' in den
CD-Player gedrückt oder zumindest 'Roxanne' und/oder das geniale 'Message In A
Bottle' in voller Lautstärke inhaliert haben. Fazit: ''De Do Do Do De Da Da Da''...
© Kleine Zeitung by Werner Müllner