57th & 9th

Jun
28
2017
Dresden, DE
Elbufer
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Rock ’n’ Roll mit Seifenblasen...

Zum Auftakt der Filmnächte am Elbufer wird Sting ganz schön laut, aber auch sentimental.

Eine Midlife-Crisis kann es nicht sein, der Mann ist immerhin 65 Jahre alt. Aber irgendwas ist mit Sting passiert. Nach Jahren des musikalischen Herumexperimentierens mit Jazz, Klassik oder Lautenmusik aus der Shakespeare-Zeit, aufgenommen auf seinem Weingut in der Toskana, macht er nun wieder ehrlichen, schnörkellosen Rock. So wie früher mit Police: Gitarre, Bass, Schlagzeug – geht los. Gleich das erste Stück, das Sting mit seiner Band am Mittwoch zur Eröffnung der Filmnächte am Elbufer in Dresden spielt, ist ein Statement: „Snychronicity II“ vom letzten Police-Album. Ein Song, bei dem Gitarristen erst mal den Lautstärkerregler aufdrehen, und dann – one, two, three, four – volles Rohr.

Es werden noch viele alte Police-Hits gespielt an diesem Abend. Auch einige der Nummern von Stings neuer Studioplatte „57th & 9th“ erinnern an den vom Punk beeinflussten Poprock der 80er-Jahre. Bei den Fans kommt das alles gut an. Knapp 7,000 sind auf dem Konzertgelände, plus noch mal Tausende auf den Elbwiesen davor. Das Publikum ist bunt gemischt, so wie die Musik, die Sting in den letzten 40 Jahren produziert hat. Natürlich weiß er, dass an so einem Abend auch die andere Seite bedient werden will. Also spielt er Balladen wie "Fields of Gold", sodass bald die ersten Seifenblasen im Abendlicht vor der Elbflorenzsilhouette in den Himmel steigen. Plötzlich steht auch ein Akkordeonspieler auf der Bühne.

Das passt alles nicht so richtig zusammen, und vielleicht ist das auch ein Grund, warum der Funke nie so ganz überspringen will bei diesem Open-Air-Konzert. Die Stimmung am Elbufer ist ungefähr so, wie wenn man sich zu Hause noch mal eine Best-of-Police Platte auflegt. Man wippt ein bisschen mit dem Fuß, singt hier und da eine Strophe mit, schön war die Zeit – aber ausrasten will hier keiner. Dabei ist die musikalische Darbietung, wie immer bei Sting, absolut präzise und perfekt. Allerdings fehlt dem Ganzen etwas die Raffinesse, wie sie zum Beispiel Police-Drummer Stewart Copeland immer mit reingebracht hat. Schlagzeuger Josh Freese drischt einen harten Beat und wirkt hinter seinen Trommeln manchmal wie in einer Muckibude. Aber auch das soll wohl so sein. Alles, bloß kein Jazz, ist das Motto.

Die familiäre Atmosphäre wird noch dadurch auf die Spitze getrieben, dass Stings Sohn Joe Sumner mit auf der Bühne steht und im Hintergrund singt. Auch Gitarrist Dominic Miller hat seinen Sohn Rufus mitgebracht, der ebenfalls Gitarre spielt. Das scheint ohnehin ein neuer Trend zu sein bei Popkonzerten. Robbie Williams präsentierte bei seinem Auftritt im Dresdner DDV-Stadion am Montag seinen Vater auf der Bühne. Phil Collins gibt gerade eine Reihe von Live-Shows, bei denen sein 15-jähriger Sohn Nic am Schlagzeug sitzt. Und auch Foo Fighter Dave Grohl holte neulich seine achtjährige Tochter an die Drums.

Ein Höhepunkt des Abends ist erreicht, als Stings Sohn ganz allein mit seiner Gitarre "Ashes to Ashes" anstimmt, einen Song des vorigen Jahr verstorbenen David Bowie, und dann sein Vater mit der ganzen Band einsteigt in das Stück "50 000". Das hat Sting als Hommage an all die Rock- und Pop-Größen geschrieben, die in letzter Zeit gestorben sind. So gerät die Vater-Sohn-Choreografie zu einer ziemlich dick aufgetragenen Symbolnummer über die Vergänglichkeit des Lebens und die Unsterblichkeit der Musik. Man muss schon ein ganz harter Rocker sein, um da nicht auch ein bisschen sentimental zu werden.

(c) Sächsische Zeitung by Marcus Thielking

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